BIANCA H. VON 0 auf 100
Was mit Indoorcycling begonnen hatte, sollte sich auch im Outdoorbereich wiederholen. Der Zufall wollte es, dass Bianca kurzfristig für eine Cyclinginstruktorin einsprang und die Stunde übernahm. Bianca hatte Blut geleckt und wollte gleich mehr. Innert Kürze zur Instruktorin ausgebildet, nahm sie an verschiedensten Events teil und stand schon bald selbst auf der Bühne. Dem nicht genug, organisierte Bianca voller Herzblut schon bald ihren eigenen Inhouse-Event. Von 0 auf 100, dies beschreibt wohl die Leidenschaft und das Engagement für eine Sache bei Bianca am besten. Daher ist es auch kein Wunder, dass sie zwangsläufig auch mit dem “echten Radsport” in Berührung kam.
Bianca erzählt: „2009 zog mein erstes MTB ein. Lange habe ich nach einem Mädchenrad ohne Blumen und pink gesucht und ein Cube gefunden. Damit ging’s über Stock und Stein, über Felder und durch Wälder. Ca 2 Jahre später passierte es dann: Durch eine Freundin kam ich zum Rennrad und war sofort infiziert.
Die Runden anfangs eher ruhiger und kürzer, wurden im Laufe der Jahre schneller und länger. Und als ich dann anfing mit Jungs zu fahren, wurde es noch schneller und meine Ansprüche stiegen umso mehr.” So kam es zum aktuellsten Highlight ihrer “Rennrad-Karriere”. Bianca gerät ins Schwärmen, sobald sie an den ÖTZTALER denkt.
DER ÖTZTALER
Der Entschluss
Bianca berichtet: „Es war im Jahr 2022 als mein guter Freund Raimund meinte, dass er gerne den Ötzi fahren möchte und mich fragte, ob ich dabei sein wollte. Als Mini-Team im grossen Lostopf war die Wahrscheinlichkeit auf einen Startplatz sowieso gering, also dachte ich, wieso denn nicht?”
Und dann im Dezember erhält sie eine WhatsApp von einem Radkollegen mit der Nachricht: „Herzlichen Glückwunsch zum Startplatz”. Zuerst war es unklar, was da gemeint war, doch dann machte sich bei ihr Angst breit, ihr wurde heiss und kalt. Bis Januar hatte sie Zeit, sich dafür oder dagegen zu entscheiden.Sie packte die Chance und sagte zu, obwohl sie nur noch 6 Monate Zeit für die Vorbereitung hatte.
Die Vorbereitung
Da Trainingspläne nicht so ihr Ding sind, stand ihre Strategie schnell fest: Fahren, fahren, fahren – dies gespickt mit Hügeln bis zum Abwinken. Es ging, wann immer es möglich war, ins Bergische Land oder in die Eifel. Alleine oder mit den Radfreunden war sie ständig im Sattel; als Krönung eine Woche Trainingslager auf Mallorca.
Sie sagt: „Mit jedem Hügel, mit jedem Kilometer wurde es besser und einfacher. Aber die „Angst und der Respekt“ vor dieser für mich immensen Herausforderung fuhr die ganze Zeit mit.” Ihre Ötzi-Jungs Raimund und Marcel hatten keine Zweifel an ihrem Finish, zusätzlich hatte sie Support von Sören, einem langjährigen Trainerkollegen, der das Ding schon 8 Mal gefahren war. Viel Zuspruch bis zum Tag X und unzählig viele wertvolle Tipps bekam sie so auf den Weg über die “zarten vier Anstiege”.
Im April 2023 zog das neue Rad endlich ein. “Königin Maxima” sollte ihre Begleitung beim Ötzi sein.
Der Countdown
Und dann war es soweit: Das Auto gepackt und die drei Freunde machten sich auf den Weg nach Sölden. Bianca beschreibt die Szene folgendermassen:
„Die Atmosphäre vor Ort, am Tag vor dem Rennen, war beeindruckend; Gänsehaut pur. Auf der Messe tummeln sich Menschen und Maschinen… :-).
Samstag dann kurz aufs Rad, zur sogenannten Vorbelastung. Einfach nochmals ein bisschen rollen und ein paar einfache Höhenmeter sammeln, war das Ziel. Auch da war eine tolle Atmosphäre geprägt durch so viele Radler, alle unterwegs, alle mit guter Laune.”
Die Prognosen im allgemeinen standen sehr positiv. Auch der Wettergott hat es an diesem Wochenende mehr als gut gemeint . Regen und Wind? Fehlanzeige. Für den Renntag wurden 30 Grad aufwärts gemeldet. Regenjacke, Armlinge, Handschuhe und solche Sachen konnte man zuhause lassen, dies normalerweise Standartausrüstung beim Ötzi.
DER TAG X
Ruhe vor dem Sturm
Und dann war es soweit. Der 9.7.2023 war da und der Wecker läutete ihn bereits um 3.30h ein. Die Ruhe vor dem Sturm, ein wichtiger Moment. Gemütlich und v.a. stressfrei frühstücken und nochmal kurz sammeln und durchatmen. 5.15h Abfahrt zum Start und dann warten, endloses Warten: Nochmal schnell zur Toilette ? Hunger, Pipi, Durst? Wann geht’s los? Steigende Nervosität machte sich breit, aber Bianca wusste, nach dem Start um 06:30h läuft’s und alles wird gut werden.
Der Start
Der Start um 06:30h bedeutete: 5500 Höhenmeter, 4 Alpenpässe und 227km. Ungefähr 4500 weitere “Verrückte” am Start mit dem selben Ziel, den Ötzi zu finishen. Bianca mittendrin klatschte nochmals die Jungs ab und machte sich auf den Weg.
Sie erzählt: „Ich bin dann einfach gefahren und habe immer den wertvollen Tipp beherzigt, gerade am Anfang nicht zu übertreiben”. Dies bedeutete also für Bianca ganz entspannt ,wenn man das so sagen kann, das Kühtai (18km und 1235 Höhenmeter) hoch. Zusammen mit unzähligen FahrerInnen und ein wenig rumpelig am Anfang, sei es mit jedem Höhenmeter entspannter geworden. Zudem habe sich das Feld auseinander gezogen.”
Verschiedene Etappen
Angekommen bei der ersten Labestation und einem reichlichen Puffer im Zeitlimit, fühlte sich Bianca immer wohler. Schnell was essen, ne heiße Suppe, Flasche auffüllen und weiter geht’s.
Den Brenner mit knapp 40km, 826 Höhenmetern und welligem Profil habe sie als recht einfach wahrgenommen, sicherlich auch Dank Glück mit den Gruppen. Doch immer im Hinterkopf “die Sahnestücke kommen zum Schluss”, habe sie sich auch nichts vorgemacht.
Temperaturen unter 30 Grad gab es seit dem Kühtai nicht mehr.
Dann kam der Jaufenpass; 15,5km und 1146 Höhenmeter. Auch hier ihre Devise: Immer schön ruhig bleiben und das Tempo gleichmäßig halten. Das zweite Auge ein wenig auf die Wattwerte gerichtet, sei sie einfach nur geklettert. Trotz allem habe sie tatsächlich auch etwas von dieser atemberaubenden Kulisse mitbekommen: Ein Panorama, unfassbar schön.
Bis hierher war für Bianca alles perfekt.„Es lief einfach gut, ich fühlte mich gut und ich fuhr ohne Probleme mit irgendwelchen Zeitlimits zu haben”, so erinnert sie sich an diese Etappe. An der zweiten Labestation gab es ebenso einen perfekter Service. Eine sehr nette Helferin habe ihr eine Suppe empfohlen. Diese sollte die Hitze ziehen und Salz zurückgeben und so war es dann auch. Diese Suppe am Jaufenpass war wirklich das Beste, was sie zu sich nehmen konnte.
Danach noch einige Meter bis ganz oben und dann die Abfahrt. Die Belastung der letzen Stunden machte sich langsam bemerkbar und dementsprechend langsam, bzw. vorsichtig, ging’s dann auch runter. Unten angekommen ging’s dann direkt in den letzten und brutalsten Anstieg.
Das Timmelsjoch – es wird zur Kopfsache
Das war es also, das berühmte Timmelsjoch. Bianca war klar, was das zu bedeuten hatte, nochmals 29km und 1967 Höhenmeter gab es zu bewältigen. Sie sagte zu sich: „Nur noch dieser eine Anstieg und du hast es geschafft… oder vielleicht besser; dann hast Du überlebt!”
Bianca weiss noch ganz genau, was ihr dann alles durch den Kopf ging, wie sie diesen Moment wahrnahm. Sie erzählt: „Wenn ich bis dahin dachte, es sei warm, ab hier war es nur noch brutal heiss. Bis zu 40 Grad. Der Kreislauf hatte zu tun und dazu unermüdlich treten und treten. Bei Km 21 dann die vorletzte Labestation; essen, Getränke auffüllen und weiter. Und dann kam das für mich härteste Stück des Rennens, die letzten 7km und 700 Höhenmeter bis ganz oben. Allerspätestens jetzt hatte ich verstanden, was es heißt, ein Rennen im Kopf zu gewinnen. Die Beine und der Körper funktionieren, doch der Kopf ist müde. Gefühlt ging es nicht weiter, das Tacho stand still. Ich hatte den Eindruck, es tat sich nichts. Du siehst andere TeilnehmerInnen schieben, am Rand sitzen, weil der Kreislauf versagt oder die Kraft nicht reicht. Der Reiz abzusteigen und nur kurz zu schieben ist da.”
Das Mantra hilft
Doch: „Du weisst genau, wenn du das tust wird es schwer und fast unmöglich wieder aufzusteigen. Also zusammenreißen und immer wieder das Mantra beten: Du kannst, Du willst, Du schaffst das! An dieser Stelle ein Dank an Mario Müller (Tortour-Finisher)”. Sie habe dieses Motto bei ihm gesehen und quasi “geklaut”.
Der Glaube hilft
Bianca beschreibt die letzten 2km vor dem Gipfel folgendermassen: „Es war hart, sehr hart. Da waren dann zwei Engel in Form von zwei Radlern. Sie fuhren neben mir und puschten mich die letzten Meter hoch. Ich konnte mich kurz vor dem Gipfel noch bedanken und weg waren sie.”
Und dann war er da, dieser eine Moment, dieser lang ersehnte Augenblick. Sie erlebt ihn förmlich nochmals: „ICH BIN OBEN!” Sie passierte den Torbogen und konnte nur noch schreien: „ Yesssssssss…!!!”. Die Erleichterung machte sich breit und mit ihr kamen die Tränen. Sie dankte ihrer Mama mit dem Bewusstsein: „So nah werde ich ihr so schnell nicht wieder sein.”
Mit Tränen in den Augen ging’s in die Abfahrt und dann wurde ihr sofort klar, dass Sie genau den Fehler machte, vor dem Sören sie gewarnt hatte. Sie vergass den zarten kleinen Gegenanstieg, der plötzlich wie eine Urgewalt vor ihr auftauchte. In diesem Moment erinnerte sie sich: „fu.. da war doch noch was!”. Es hiess also nochmals den Kopf wieder zu aktivieren und treten… treten … treten …. Dann tauchte René auf, den sie immer wieder im Rennen in der Nähe hatte. Er klopfte ihr anerkennend auf die Schulter und erwies ihr großen Respekt. Ab dann war es geschafft und es ging nur noch runter Richtung Sölden.
Der persönliche Sieg
Je näher die Ortseinfahrt kam, desto größer wurde ihre Gänsehaut . Die Leute jubelten und ein Grinsen machte sich bei Bianca breit. Sie hatte es geschafft – sie, ein Ötzi.
Sie erwähnt den Zielbereich, wo sie zum Stehen kam und urplötzlich jemand den Schalter umlegte. Für einen Moment verliesen sie alle Reserven und der Focus lag vor allem auf der Atmung. Dann stand ihr Freund und Trainingspartner Marcel vor ihr und hatte das goldene Getränk dabei: eine Cola. Sie erinnert sich, wie sie ihm um den Hals fiel und sich bedankte. Sie wusste diese Geste und all die Unterstützung unglaublich zu schätzen. Unermüdlich seien die beiden unzählige Höhenmeter zusammen gefahren und er habe sie immer motiviert, berichtet sie.
Bianca’s Fazit
Bianca fast zusammen: „Die Unterstützung der Familie, des Partners, der Freunde und Trainingspartner ist bei einem solchen Projekt immens wichtig. Denn die Vorbereitung kostet wahnsinnig viel Zeit, Zeit die der Familie und auch den Freunden fehlt. Ich hatte diese Unterstützung von allen Seiten und bin dafür sehr dankbar. Ein riesengrosses Dankeschön geht an meine Freundin Tina. Sie hat die ganze Zeit an mich geglaubt und mich moralisch unterstützt.”
Abschliessend bleibt nur zu sagen: „Es hat geklappt. Ich hab es geschafft und ich bin stolz darauf”
Das kannst Du auch sein liebe Bianca! Vielen herzlichen Dank für Deinen Einblick, der zeigt, dass Freude und konsequentes Umsetzen so vieles ermöglichen. Wir wünschen Dir noch viele atemberaubende und unvergessliche Momente mit Deinem Rad “Königin Maxima”.
Inspiration und Motivation
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